Interviewserie “Guter Unterricht” – Folge 2: Gerda Rubel
Um den Unterricht noch motivierender und effizienter zu machen setzt unsere Schule auf das Kooperative Lernen: Schülerinnen und Schüler sollen in bestimmten Unterrichtsphasen mehr Eigenverantwortung bekommen und sich gegenseitig informieren, Arbeitsergebnisse verbessern und Lernerfolge testen. Dazu dienen zum Beispiel Abfolgen von Einzel-, Partner- und Gruppenarbeiten mit entsprechenden Aufgabenstellungen. Seit Beginn des Kooperativen Lernens am Gymnasium Kreuzau ist einige Zeit vergangen. Grund genug für unsere digitale Schülerzeitung, Schüler, Eltern und Lehrer nach ihren bisherigen Erfahrungen und ihren Vorstellungen von gutem Unterricht allgemein zu fragen. Unser zweites Gespräch zu diesem Thema führten wir mit Gerda Rubel, unserer Unterstufenkoordinatoren. Der Interviewer war Simon Utecht, unterstützt vom Leiter der Schülerzeitungs-AG Martin Dieckmann.
Simon: Hallo Frau Rubel, danke, dass Sie sich heute für uns Zeit genommen haben.
Fr. Rubel: Sehr gerne, Simon.
Simon: Gab es in Ihrer Schulzeit eine Unterrichtsstunde die so gut war, dass Sie sich heute noch daran erinnern können?
Fr. Rubel: Also könnte ich nicht sagen. Ich kann nur sagen, dass ich allgemein den Geschichtsunterricht immer richtig faszinierend fand, und zwar so sehr, dass ich dann schließlich auch Geschichte studiert habe, weil mein Geschichtslehrer es schaffte durch seine Erzählungen und Vorträge einen Film im Kopf ablaufen zu lassen, und ich das immer sehr faszinierend fand.
Simon: Ok. Die zweite Frage lautet: Worauf legen Sie in Ihrem Unterricht besonders Wert?
Fr. Rubel: (Lacht leise). Also wenn man meine Schüler fragen würde, dann sagen die bestimmt: Ordnung, also, dass Tische geradestehen, dass im Heft Überschriften unterstrichen werden und so weiter und so fort. Das sind aber nur Nebensächlichkeiten, ehrlich gesagt.
Simon: Das kann ich auf jeden Fall bezeugen.
Fr. Rubel: Ja? Also worauf ich persönlich Wert lege, ist, dass Schüler am Ende der Stunde etwas mitnehmen.
Simon: Also Sie meinen, dass der Stoff hängen geblieben ist?
Fr. Rubel: Ja, aber nicht nur der Stoff. Sie sollen auch, finde ich, mitkriegen, dass sie als Schüler geschätzt werden von mir, dass ich aber ebenso auch erwarte, dass sie Respekt mir gegenüber zeigen – auch das, finde ich, muss eine gute Unterrichtstunde mitbringen. Und sie sollen erkennen, dass ich gewisse Werte vertrete, die auch in meinem Unterricht, egal ob ich eine Stunde in Geschichte, in GEP oder in Deutsch oder eine Vertretungsstunde in Kunst oder so mache. Sie müssen erkennen, dass mir bestimmte Werte wichtig sind. Und im Idealfall sollen diese Werte natürlich auch im Unterrichtsgegenstand erkennbar sein.
Simon: Und denken Sie persönlich, dass Sie das erreicht haben?
Fr. Rubel: Das hoffe ich schon, ja. Vielleicht nicht in jeder Stunde, weil man ja immer unterschiedlich gelaunt ist. Und in einer Grammatik-Stunde werden sicherlich demokratische Werte nicht so zum Tragen kommen, wie in einer Geschichtsstunde zum Beispiel über den Hitlerputsch.
Simon: Sie unterrichten Deutsch und Geschichte, richtig?
Fr. Rubel: Richtig.
Simon: Dann kommen wir zur dritten Frage: Was halten Sie von Hausaufgaben?
Fr. Rubel: Sie sind wichtig, in bestimmten Situationen, nicht in jeder und darum gibt es bei mir auch nicht sehr viele Hausaufgaben. Aber in Deutsch bin ich der Meinung, dass man nicht in einer Klassenarbeit verlangen kann, dass Schüler eine Analyse schreiben, wenn sie das nicht zu Hause schon geübt haben. Und darum gibt es nach Ankündigung auch bei mir schon mal mehr Hausaufgaben oder weniger Hausaufgaben.
Simon: Haben Sie persönlich eine Einschätzung, eine Regel, wie viel Sie aufgeben?
Fr. Rubel: Nein, das entwickelt sich ja aus der Unterrichtsvorbereitung. Trotzdem gehe ich nicht planlos vor: Vor einer Klassenarbeit bekommen die Schüler von mir eine Übungsarbeit, die dann als Hausaufgabe erledigt werden muss. Die gebe ich natürlich nicht drei Wochen vorher oder nach der Klassenarbeit. Darum habe ich schon einen gewissen Plan, aber das entscheide ich schon bei der Vorbereitung der Vorbereitung. Denn ich bin keiner, der lange im Voraus plant. Ich nehme das in den Blick, was in den folgenden Tagen wichtig ist, und dann weiß ich konkret: Gibt es Hausaufgaben oder nicht?
Simon: Nehmen wir an, eines Ihrer Kinder wollte Lehrer werden und fragt Sie, worauf es im Unterricht besonders ankommt. Was würden sie antworten?
Fr. Rubel: Also ganz spontan: Leidenschaft. Also es kommt nicht darauf an, ob ich kooperativ unterrichte oder ob ich Frontalunterricht mache oder sonst irgendwas, sondern es kommt darauf an, dass ich etwas mit Leidenschaft unterrichte. Und dass die Schüler das auch merken, dass das, was ich unterrichte, auch gerne tue. Und das ich auch gerne Lehrerin bin, im Allgemeinen.
Simon: Nun kommen wir zur Frage fünf: Warum sind Sie überhaupt Lehrerin geworden?
Fr. Rubel: Also ich bin geprägt: Meine Eltern sind auch beide Lehrer. Darum habe ich schon als Kind mitbekommen, was es heißt, sich als Lehrer zu engagieren. Lehrerin zu werden ist für mich so schön, weil ich die Möglichkeit habe, Einfluss auf die Zukunft zu nehmen, indem ich Kinder unterrichte, die ja später Verantwortung übernehmen. Und ich bin so immer, sozusagen, am Puls der Zeit, denn ihr seid die Zukunft, ihr seid sehr wichtig und ich kann durch mein Unterrichten Einfluss darauf nehmen, wie ihr euch entwickelt und wie vielleicht auch meine persönliche Zukunft aussieht. Das ist natürlich ein bisschen übertrieben. Im bescheidenen Rahmen hoffe ich das tun zu können.
Hr. Dieckmann: Demokratie haben Sie als Wert schon angesprochen. Gibt es noch einen Wert, der für Sie wichtig ist und den Ihre Schüler im Unterricht als wichtig wahrnehmen sollen?
Fr. Rubel: Ja. Werte und Normen – also zum Beispiel Ordnung, Sauberkeit und Anstrengungsbereitschaft – finde ich wichtig. Ehrgeiz, finde ich, ist eine Tugend, die immer unterschätzt wird, also gesunder Ehrgeiz. Und Werte sind natürlich: Wahrheit, Gerechtigkeit, Respekt vor dem Nächsten, die Fähigkeit, mit anderen mitzufühlen, sich in jemanden hineinzuversetzen und einfach freundlich demjenigen gegenüber zu sein. Das sind Werte, die extrem wichtig für mich sind. Und da ist Demokratie natürlich auch ein wichtiger Wert.
Hr. Dieckmann: Versuchen Sie den großen Erzähler aus Ihren eigenen Geschichtsstunden nachzueifern?
Fr. Rubel: Also sicherlich komme ich schon mal ins Plaudern, in meinen Unterrichtsstunden, das werden meine Schüler bestätigen. (lacht) Aber ich glaube dafür fehlt mir einfach das Talent. Der Lehrer, der mich sehr geprägt hat, ist auch Theaterschauspieler gewesen und der hatte eine Art und Weise, Dinge vorzutragen und zu erzählen, die nur wenige erreichen. Ich kann es leider nicht. Schade.
Simon: Müssen Sie in Ihrem Beruf auch mal improvisieren und spontan sein?
Fr. Rubel: Ja, aber natürlich. Das muss man ganz oft. Bei einer Kurzgeschichte zum Beispiel, die ich mal mit Schülern bearbeitet habe, ging es um ein türkisches Mädchen, das gemobbt wurde in ihrer Klasse. Und ich wollte über das Mädchen sprechen und über ihre Reaktionen, weil sie geweint und erst die Schuld bei sich gesucht hat, wie das oft so bei Mobbingfällen ist. Und die Klasse wollte partout nicht über das Mädchen reden – sie wollte über den Täter reden! Und mein ganzes Tafelbild, das ich mir ausgedacht habe, war natürlich für die Katz.
Simon: Herzlichen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben!
Fr. Rubel: Danke, dass Ihr mich gefragt habt.